Blitzschutz - Überspannungsschutz?



Blitzschutz, Blitzableiter, Potentialausgleich, Überspannungsschutz ....
Was denn nun?

In Wikipedia steht:
"Unter einer Blitzschutzanlage versteht man Vorkehrungen gegen schädliche Auswirkungen von Blitzeinschlägen auf bauliche Anlagen. Ohne Blitzschutz können direkte Blitzeinschläge Teile von Gebäuden zerstören, wenn zum Beispiel in Baustoffen enthaltenes Wasser, Harz oder ätherische Öle in Holz explosionsartig verdampfen oder durch die Hitzewirkung der elektrischen Entladung Brände entstehen. Der Blitz kann weiter indirekt durch sein starkes elektromagnetisches Feld in elektrischen Leitungen oder metallischen Teilen wie Rohrleitungen innerhalb eines Gebäudes einkoppeln und Zerstörungen anrichten. Eine Blitzschutzanlage kann vor diesen unerwünschten Wirkungen keinen absoluten Schutz bieten, sie kann aber den Schaden und Auswirkungen von Blitzeinschlägen minimieren."






Blitzschutz und Photovoltaikanlagen

Zuerst einmal ist wichtig zu wissen: PV-Anlage incl. Mini-Solaranlagen (Plug&Play-Balkon-Solaranlagen) beeinträchtigen den Blitzschutz eines Gebäudes nicht. Auch machen sie keinen Blitzschutz nötig, falls kein Blitzschutz vorhanden ist:


"PV-Anlagen führen zu keiner Blitzschutzpflicht sofern dies gemäss der Brandschutzrichtlinie 22-15de „Blitzschutzsysteme“ für dieses Gebäude nicht gefordert ist. Sind Blitzschutzsysteme vorhanden, ist die PV-Anlage in das Blitz- und Überspannungsschutzsystem einzubeziehen. Die Richtlinien des CES SNR 464022 „Blitzschutzsysteme“ und NIN 7.12.4.4 (Schutz gegen Überspannung) sind einzuhalten." (Seite 10)

"Sowohl die Blitzschutzpflicht wie auch die Blitzschutzklasse werden durch die Montage einer Solaranlage auf ein Gebäude nicht verändert." (Seite 11)

ESTI Das Eigenössische Starkstrominspektorat ESTI:
Zu Photovoltaikanlagen wurde im September 2014 eine neue Zusammenfassung der geltenden Regeln und Normen publiziert, ESTI Nr. 233 Version 0914 d. 2.3 Blitzschutz Grundsatz: Ein Gebäude wird durch eine PVA oder eine SKA nicht blitzschutzpflichtig. Ausser bei Installationen nach Schutzklasse 2 ist der Potenzialausgleich vom Solarmodulfeld bis zum Hauptverteiltableau immer notwendig. Die Leitsätze des CES SNR 464022:2015 und die NIN schreiben vor, dass da, wo ein Blitzschutz vorhanden ist, die korrekte Einbindung der Solaranlage in das Blitzschutzsystem notwendig ist (Regeln des CES, Blitzschutzsysteme, SNR 464022:2015, www.electrosuisse.ch). (Seite 26)

Wenn ein Blitzschutz vorhanden ist, in der Regel also Blitzableiter rund um ein Gebäude, welcher einen Faradayschen Käfig darstellt, dann muss die Anlage einen Trennungsabstand zum Blitzableiter einhalten. Meist 0.5-1m.

Im Bild Überspannungsableiter Typ I
 und II in einem Kindergarten auf beiden Seiten des Wechselrichters, also AC (recht unten) und DC (links Mitte).




Mit dem Blitzkugelverfahren können Fachleute abschätzen ob ein Blitzschutz benötigt wird.
WP sagt: "
Zur Gefährdungsbeurteilung von Blitzeinschlägen in Gebäuden werden diese in Blitzschutzklassen (auch: Gefährdungspegel) eingeordnet. Die Klassen spiegeln dabei die zu erwartende Bedrohung durch Blitzeinschläge und der zu erwartenden Schäden wider." 


Blitzstrom-Ableiter / Überspannungsableiter / Überspannungsschutz

Der Überspannungsschutz (SPD = Surge Protective Devise) ist eine Vorrichtung die Überspannungen Typ I und II ableitet.
Diese Überspannungen können auch durch weiter entfernt einschlagende Blitze durch Induktion induziert werden und Geräte beschädigen. Im PV-Bereich spricht man von Generatoranschlusskasten. (GAK). Er wird zwischen den Wechselrichter und die Module geschaltet.
Je nach Land ist er Vorschrift. In der Schweiz empfohlen, aber meist nicht Pflicht. Ausser in Öffentlichen Gebäuden oder in Gebäuden mit Blitzschutz. Auch verlangen die kantonalen Gebäudversicherungen teilweise den Überspannungsableiter.
Vereinfacht gesagt: In privaten Gebäuden in denen die nicht abgeschirmte DC Leitungslänge 20m nicht überschreitet ist kein Überspannungsschutz vorgeschrieben. Wenn die Leitung länger als 20m ist kann diese z.B. in Aluminiumrohren (Abschirmung) verlegt werden da diese Strecke nicht zu den 20m zählt.


Swissolar schreibt zu NIN2015 und HD 60364-7-712:2016:
Seit August (2016?) gelten in Anlehnung an HD 60364-7-712:2016 die Anweisungen in der Publikation von Electrosuisse info 2108. Neu gilt als vereinfachte Risikoanalyse die kritische, d.h. ungeschirmte Leitungslänge. Wenn Lcrit von 30 m im Mittelland oder 20 m in der Südschweiz nicht überschritten ist, sind SPDs nicht zwingend notwendig. Wenn Lcrit darüber liegt, muss mindestens an einem Ende der betreffenden Leitung ein SPD angebracht werden. Wenn die doppelte Länge von Lcrit überschritten wird, braucht es an beiden Leitungsenden SPDs.PDF dazu.

Laut Auskunft von Wechselrichterherstellern reduzieren 
Überspannungsableiter Schäden am Wechselrichter, vermeiden sie aber keineswegs ganz. Wichtig zu verstehen ist (siehe unten): Die üblichen Überspannungsableiter (SPD Typ1+2) sind KEIN Blitzableiter, gegen einen direkten Blitzeinschlag sind sie wirkungslos, weil die Energie eines Blitzes dafür viel viel zu hoch ist!

Mann muss wissen, das Schäden durch direkte Blitzeinschläge bei nicht exponierten Gebäuden sehr selten sind.

Alles in allem bin ich der Meinung 
Überspannungsableiter bieten zwar eine erhöhte Sicherheit, kosten aber über alle Anlagen gerechnet deutlich mehr, als sie an Schäden vermeiden. Ca. 6 Überspannungsableiter kosten mit Montage so viel wie ein teurerer Wechselrichter. Günstige Wechselrichter kosten kaum doppelt so viel, als der Überspannungsschutz!
Nur Schäden an Wechselrichtern können 
Überspannungsableiter vermeiden, nicht an den Modulen...

Etwas anderes sieht es mit Überspannungsableitern im AC Teil VOR dem Sicherungskasten aus. Hier ist es so, dass Überspannungen übers Netz aus entfernten Blitzeinschlägen und damit viel häufiger auftreten.


Grob-, Mittel- und Feinschutz (aus WP)

Der Grobschutz (SPD Typ 1, früher Klasse B, Blitzableiter) in der Gebäudeeinspeisung soll den Energieinhalt des Blitzes ableiten und die verbleibende Restspannung auf Werte kleiner als 1300 bis 6000 V  begrenzen. Es wird mit Strömen von 50/100 kA gerechnet, was den typischen Werten eines direkten Blitzeinschlages entspricht. 

BlitzschutzklasseMaschenweite
I5 m × 5 m
II10 m × 10 m
III15 m × 15 m
IV20 m × 20 m

Der Mittelschutz (SPD Typ 2, früher Klasse C) begrenzt die verbleibenden Überspannungen auf weniger als 600 bis 2000 V und ist darauf angewiesen, dass die von ihm abzufangenden Überspannungen 4000 V nicht überschreiten.

Ein Feinschutz (SPD Typ 3, früher Klasse D) schützt die jeweiligen Steckdosen und die Steckverbindungen aller anderen Leitungen. Er reduziert die verbleibenden Überspannungen auf das von den angeschlossenen Geräten, Baugruppen oder Bauteilen verkraftbare Maß. Die Hersteller elektrischer und elektronischer Geräte sind in den meisten Ländern verpflichtet, ihre Geräte mit einem für den sicheren Betrieb erforderlichen Feinschutz auszustatten (CE-Zeichen deutet darauf hin).


Bild: Der Mittelschutz (Typ II) wird normalerweise benötigt nachgefragt (nicht Pflicht aber empfohlen), denn der Feinschutz ist in vielen Geräten bereits integriert. Allerdings kostet der GAK ohne Typ I teilweise mehr. Also verbaut man beides: Typ I und II.
(Die Erdung in der Mitte fehlt hier noch!)



Die Funktion ist schlicht folgende: Sogenannte Varistoren werden oberhalb einer gewissen Spannung leitend gegen Erde. Sie verursachen also einen Erdschluss (eine Art Kurzschluss). Sind Strom und oder Spannung viel zu hoch, passiert das gleiche, aber das Bauteil ist dann defekt und muss getauscht werden.


Potentialausgleich - Potentialableitung

Der Potentialausgleich ist eine Erdungsleitung / Erdung (grün/gelb) mit 10 mm², die die Unterkonstruktion mit der Erde verbindet. Der Potentialausgleich ist Vorschrift, denn im Betrieb einer PV-Anlage können grössere Potenziale auftreten.

WP schreibt:
"Potentialausgleich bezeichnet eine elektrisch gut leitfähige Verbindung, die unterschiedliche elektrische Potentiale minimiert. Der Potentialausgleich wird umgangssprachlich häufig auch als Erdung bezeichnet."



Dieser Post (gibt wie alle Posts) die Meinung des Autors wieder und ist zur Information gedacht, die keinerlei Garantien oder Handlungsanweisungen beinhaltet. Vor allem dieses Thema ist in manchen Fällen sehr kompliziert. In Fällen in denen nicht klar ist, was nötig ist, sollte ein Blitzschutzsachverständiger befragt werden.

Weitere Infos:
https://www.vde.com/de/blitzschutz/infos/blitzschutz-von-pv-anlagen

Kommentare

  1. Vielen Dank für die ausführlichen Informationen im Blog!
    Leider sind hier ein paar Links bzw. die PDFs nicht mehr öffentlich zugänglich.

    Woher ist die Quelle für diese Aussage? "Wenn die Leitung länger als 20m ist kann diese z.B. in Aluminiumrohren (Abschirmung) verlegt werden da diese Strecke nicht zu den 20m zählt."

    Müsste ich nach Norm bei 100 m-Strings (2 Gebäude zusammen verkabelt, Kabel verläuft im Haus, ca. 30m ein Weg), nahem Wald mit viel höheren Bäumen als das Haus, wirklich 2 oder sogar 3 GAKs verbauen?

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  2. Bitte gern. Wenn Swisssolar und VDE die Links geändert haben (und wie die meisten ITler die Weiterleitung vom alten Ort "vergessen" haben) kann man nach dem Text in "..." suchen. Dann sollte man die Quelle finden.
    Das mit den abgeschirmten Leitungen müsste ich suchen. Ich weiss das von Fachleuten bzw. Kontrolleuren. Einfach den eigenen fragen, denn der entscheidet was er akzeptiert.
    GAKs sind keine Pflicht, sondern empfohlen. Es kommt immer auf die Umstände an. Hohe Bäume bzw. Gebäude in der Nähe verringern das Risiko. Ich würde die Leitungen in Aluminiumrohren verlegen und diese erden.

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